Angreifermarken
WIE CHALLENGER BRANDS DEN STATUS QUO HERAUSFORDERN...
Und warum das nötig ist.
Gesundheit als Megatrend produziert immer neue Innovationen: Die Digitalisierung schafft neue Tools zur Therapieunterstützung. Kommunikation selbst wird Teil der Therapie. Der informierte Patient wird zunehmend zum Co-Therapeuten. Und vieles mehr. Seltsam erscheint vor diesem Hintergrund der Rückstand der Branche, was das Thema „Marken im Hyperwettbewerb“ angeht. Healthcare und Pharma kommuniziert quasi immer noch so, als lebten wir im Verkäufermarkt des 20. Jahrhunderts. Die Idee der Challenger Brand – eines der zentralen wertschaffenden Markenkonzepte im 21. Jahrhundert und vielfach genutzt – ist in der Healthcare noch nicht wirklich angekommen.
In den folgenden 6 Thesen beleuchten wir, wieso es dazu kommt. Und wie Marktteilnehmer in der Healthcare, die sich bewusst als Challenger im Wettbewerb aufstellen, einen entscheidenden Vorsprung im Markt erringen können.
These 1:
KEINE MARKE IST EINE INSEL. AUCH NICHT IN DER HEALTHCARE
Vor rund einem halben Jahrhundert entwarfen Ries und Trout das Konzept des Positionings. Ihre grundlegende Idee war es, dass Brandbuilding darin besteht, Claims im Bewusstsein der Verbraucher zu besetzen. Sie verorteten das Markenuniversum nicht etwa im Supermarktregal, sondern im kollektiven Bewusstsein der Konsumenten. Ries und Trout sagten voraus, dass durch die ständige Beschleunigung des Wettbewerbs immer mehr Marken in dieses Universum drängen würden. Besonders erfolgreich sei daher ein kluges Abstecken von Räumen („Positioning“). Auf dieser Grundlage entwickelten die beiden intelligente, maßgeschneiderte Strategien für Marktführer, Herausforderer und Nischenprodukte.
Über die Jahre und Jahrzehnte entwickelt sich das Positioning in Theorie und Praxis stark weiter. In den späten Nullerjahren, als der Hyperwettbewerb durch die Weltwirtschaftskrise einen neuen Höhepunkt erreichte, fokussierte sich die Marketingwelt zunehmen auf das Konzept des Challengers.
In der letzten Dekade hat sich die Challenger Brand als wertschöpfendes Markenmodell immer weiter verbreitet. Dutzende von Marketingbüchern und Studien, die sich diesem Thema widmen, zeugen davon. Aber vor allem die vielen Challenger-Marketing-Cases in praktisch allen Industrien. Diese reichen von Airbnb über True Fruits bis hin zu Uber. Doch in der Healthcare- und Pharma-Industrie hat das Konzept Challenger Brand nur sporadisch Fuß gefasst. Der meistgesagte Satz in der Healthcare-Kommunikation und Markenentwicklung lautet: „Schauen wir nur auf uns“. Was auf dem ersten Blick souverän daher kommt, gipfelt letztlich in einer Art „Marken-Autismus“. Denn wer nur auf sich selbst schaut, der kann sich nicht stark im Wettbewerb aufstellen.
Wir sind überzeugt, dass viele Pharma- und Healthcare-Unternehmen von anderen Branchen lernen und als Challenger-Marken ihr Potential ausschöpfen können. Denn: Keine Marke ist eine Insel, auch nicht in der Healthcare-Branche.
These 2:
HWG - AUSREDE FÜR ANGSTHASEN-KOMMUNIKATION
In der Welt des Pharma-Marketings scheint das Heilmittelwerbegesetz (HWG) oft wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Marketingverantwortlichen zu schweben. Doch anstatt die Regeln des Spiels zu nutzen, um kreativ im Rahmen des HWGs zu kommunizieren, scheinen sich viele Markenauftritte hinter dem HWG zu verstecken, und es als Ausrede für weichgespülte Markenversprechen zu nutzen
Es ist, als ob „HWG“ nicht für Heilmittelwerbegesetz, sondern für „Haltet Werbung gefällig“ oder „Helfen Wir Gähnen“ stehen würde. Was im Einzelfall genau dahinter steckt, ist jeweils schwer zu eruieren. Es drängt sich aber der Eindruck auf, dass Entscheider mitunter in einem übersteigertem „vorauseilenden HWG-Gehorsam“ keine klaren Markenbotschaften, bzw. Nutzenversprechen geben.
Statt HCPs mit klaren, differenzierenden Botschaften Therapieoptionen anschaulich und so Therapieentscheidungen leichter zu machen, werden diffuse Message-Wolken in Richtung Zielgruppen losgeschickt. Ganz nach dem Glaubenssatz: „Es wird schon irgendetwas hängen bleiben.“
Sehen wir das HWG als Leitplanken unserer Marketingbemühungen und eben nicht als Bremsklotz! Die Kunst besteht darin gleichermaßen mutig und selbstverständlich HWG-gerecht zu kommunizieren. Damit „HWG“ zu guter Letzt für etwas ganz anderes steht: „Herausfordernde Werbung Gewinnt“.
These 3:
Natural Born Challenger: Deutsche Pharma-Mittelständler als Vorreiter
Deutsche Mittelständler, verwurzelt in der Region und mit langjähriger Tradition, sind die ungesehenen Innovatoren der Pharmabranche. Ihr Vertrauen in die Marke und die Qualität ihrer Produkte ermöglicht es ihnen, immer wieder neue Challenger Brands zu etablieren. Viele Mittelständler zeichnen sich durch ihre Agilität, Spezialisierung und Innovationskraft aus, die es ihnen ermöglichen, flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren.
Die Challenger-Mentalität dieser mittelständischen Pharmaunternehmen zeigt sich darin, dass sie keine Scheu davor haben, die etablierten Giganten herauszufordern. Sie sind bereit, sich den Herausforderungen zu stellen und ihren Platz im Markt zu behaupten, anstatt von deren Größe eingeschüchtert zu sein.
Um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, setzen deutsche Mittelständler vermehrt auf globale Partnerschaften und Kooperationen. Dadurch erweitern sie nicht nur ihre Reichweite, sondern erhalten auch Zugang zu neuen Märkten und Ressourcen, die es ihnen ermöglichen, weiter zu wachsen und zu expandieren.
Ein herausragendes Beispiel für die Innovationskraft der deutschen Mittelständler ist Biontech, das durch seine wegweisende mRNA-Technologie weltweite Anerkennung gefunden hat. Ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung haben dazu beigetragen, dass sie zu Vorreitern in der Pharmaindustrie geworden sind. Die Entwicklung von Biontech Mini-Mittelständler zum Pharmariesen in zwei Jahren war natürlich einer Pandemie geschuldet, aber ohne den Spirit des Challengers wäre sie niemals möglich gewesen.
These 4:
PATIENTEN DIGITAL HACKEN: WIE DD2C CHALLENGER BRANDS EXPLODIEREN LÄSST
Immer mehr Healthcare-Produkte jenseits der hochregulierten Felder wie Rx, OTC, etc. finden ihren Weg zum Verbraucher ausschließlich über digitale Kanäle. Redete man früher von Direct-to-Consumer (DTC) könnte man jetzt den Begriff Digital-Direct-to-Consumer (DDTC) prägen. Dieser Schritt markiert einen bedeutenden Wandel, der eng mit dem Konzept der Challenger Brands verbunden ist.
Schließlich geht es nicht mehr nur um direkte Kommunikation mit dem Konsumenten aka Patienten, sondern um ganze Geschäftsmodelle, die sich ins Digitale verlagern.
Der DDTC-Ansatz erlaubt Pharma- und Healthcare-Produkten, direkt an Verbraucher zu gelangen, ohne den Umweg über Ärzte oder Apotheken nehmen zu müssen. Über teilweise komplexe, digitale Salesfunnel können Challenger-Unternehmen ihre Zielgruppe gezielt ansprechen, kennenlernen, Bindung aufbauen und letztlich den Kaufprozess vereinfachen.
Dieser Paradigmenwechsel steht im Einklang mit der These, dass Empowerment der Schlüssel zur Zukunft der Gesundheitsversorgung ist. Challenger Brands im e-Health-Bereich bieten personalisierte Lösungen, die auf Datenanalyse und künstlicher Intelligenz basieren. Sie schaffen Gemeinschaften und stellen Bildungsressourcen bereit, um Patienten zu aktiven „Prosumern“ zu machen.
Die Bewegung hin zu DDTC im Gesundheitswesen ist nicht nur ein effektiver Marketingansatz, sondern auch ein Schritt in Richtung einer patientenzentrierten Versorgung. Challenger Brands nutzen das Potenzial des DDTC-Marketings, um Innovationen voranzutreiben und eine direktere Beziehung zu den Verbrauchern aufzubauen.
Dieser Paradigmenwechsel steht im Einklang mit der These, dass Empowerment der Schlüssel zur Zukunft der Gesundheitsversorgung ist. Challenger Brands im e-Health-Bereich bieten personalisierte Lösungen, die auf Datenanalyse und künstlicher Intelligenz basieren. Sie schaffen Gemeinschaften und stellen Bildungsressourcen bereit, um Patienten zu aktiven „Prosumern“ zu machen.
Die Bewegung hin zu DDTC im Gesundheitswesen ist nicht nur ein effektiver Marketingansatz, sondern auch ein Schritt in Richtung einer patientenzentrierten Versorgung. Challenger Brands nutzen das Potenzial des DDTC-Marketings, um Innovationen voranzutreiben und eine direktere Beziehung zu den Verbrauchern aufzubauen.
These 5:
PURPOSE-MANIA VERNEBELT PRODUKTKOMMUNIKATION
In einer Welt, in der die „Why“-Frage von Simon Sinek einen regelrechten Hype ausgelöst hat, scheint es, als ob jedes Medikament, jeder Health-Gadget einen tieferen Sinn haben müsse, um erfolgreich zu sein. Doch müssen wirklich alle Antibiotika, Schmerzmittel oder Medizinprodukte ein weltverbesserndes Ziel haben?
Das Konzept des Purpose wurde ursprünglich nicht für die Markenkommunikation entwickelt, sondern für die Führung von Unternehmen. Es geht darum, warum Unternehmen existieren, nicht um die individuellen Produkte, die sie anbieten.
Produkte in der Healthcare finden überwiegend in ihrem Nutzen einen Purpose: Ein fiebersenkendes Mittel hat den Zweck, Fieber zu senken. Ein Schmerzmittel lindert Schmerzen. Die zwanghafte Implementierung von Purpose in jedes Medikament führt zur „Wattebauschisierung“ der Kommunikation: Fluffige Weltretteransprüche, die kaum noch mit dem Nutzen oder gar einer Alleinstellung der Produkte verknüpft sind, statt klares Markenprofil durch Differenzierung.
Gerade im Bereich der Healthcare- und Pharma-Industrie, wo aufstrebende Marken um Aufmerksamkeit kämpfen, ist tiefgründiges Purpose-Ringen nicht immer angebracht. Herausforderer-Marken ziehen es vor, sich durch klare Differenzierung zu behaupten. Sie können sich nicht auf abstrakte Konzepte verlassen, die fernab von Nutzenversprechen an HCPs oder Patientenzielgruppen vorbeigehen.
Scharfe Profile und Nutzenkommunikation tun Not- auch bei der Auslobung von Healthcare- und Pharma-Produkten. Schluss mit Wattebällchen und Florett – Willkommen in der Realität der Challenger-Marken!
These 6:
L´ART POUR SALES: KREATIVITÄT IM CHALLENGER-MODUS
Challenger Brands sind allem voran ein kommunikationsstrategisches Konzept. Es geht darum Marktführer in Bedrängnis zu bringen und „Mitläufer“-Marken durch starke Differenzierung und möglichst unique Markenversprechen unter Druck zu setzen.
Die Praxis zeigt: Herausforderer-Marken positionieren sich nicht nur klarer, sie kommunizieren auch anders. Auf der Basis starker Differenzierung und einem klaren strategischen Messaging blüht häufig auch eine andere Qualität von Kreation: Kreative Exzellenz im Challenger Modus bedeutet häufig „lautere“, plakativere Kommunikation – so naheliegend, so gut.
Genauso erwartbar die folgenden Befunde: Challenger Brands nutzen unique Bildwelten und übertragen damit das Prinzip der Differenzierung aus der Strategie in die Kreation. Auch der kreative Einsatz von Media bis hin zu Guerilla Media ist bei Challenger Brands häufiger verbreitet. Challenger Brands sind aus ihrem Selbstverständnis heraus mutiger und provozieren auch mal einen kalkulierten Shitstorm – denn nur so können sie überraschen und „anders“ sein. Apple hat aus diesem „Think Different“ der Challenger-Marken fast schon eine Binsenweisheit gemacht.
Plakativität, differenzierende Visualität, disruptive Media und das Prinzip Provokation sind die auffälligsten Charakteristika einer Kreativität im Dienst der Challenger-Marken.
Übersehen wird häufig ein viel „leiseres“, subtileres Kennzeichen von Angreiferkommunikation: Challengermarken trauen sich viel häufiger als andere ungesagte Wahrheiten auszusprechen. Unausgesprochene und zugleich hochrelevante Wahrheit, ob menschlich-allzumenschlicher Natur oder im Zusammenhang mit Produkten, verfügen über eine große Überzeugungskraft.
Denn wie Sir John Hegarty einmal sagte: „Truth is the best strategy”.